Wie arbeiten die KJP-Kollegen in der gegenwärtigen Situation?Ein Interview dazu mit der Vorsitzenden des KJP-Ausschusses der OPK, Cornelia Metge

Frage: Frau Metge, welche Rückmeldungen haben Sie von KJP-Kollegen der OPK, unter welchen Bedingungen diese gerade in den Praxen arbeiten?

Cornelia Metge: Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen hatten in den letzten Wochen viel zu tun. Neben dem „normalen“  Praxisbetrieb gab es viel zu tun, einiges umzustrukturieren und der aktuellen Situation anzupassen.  Da wir es mit einer so nie dagewesenen Situation zu tun haben, gibt es keine Ablaufpläne oder Durchführungsvorschriften. Das heißt, eben auch learning by doing. So haben viele Kollegen recht schnell die Möglichkeit eingerichtet, Videosprechstunde anzubieten. Denn besonders für Kinder und Jugendlich, die einer Risikogruppe zugeordnet sind oder  deren Familienangehörige dazuzählen, ist diese Möglichkeit wichtig. Weiterhin stellt der Face-to-Face-Kontakt neue Anforderungen. So mussten die Sitzmöglichkeiten im Praxisraum so arrangiert werden, dass die Abstandsregeln weitestgehend eingehalten werden können. Und nicht zu vergessen, die strengeren hygienischen Bedingungen, die es zu erfüllen gilt.
Die Rückmeldungen der Kolleginnen und Kollegen haben gezeigt, dass die meisten sich nunmehr umgestellt haben und ihrem Versorgungsauftrag nachkommen können.

 

Welchen Anteil machen Behandlungen per Video jetzt in Ihrer Arbeit aus und ist dies im KJP-Bereich gut umsetzbar?  In Bundesländern wie Sachsen-Anhalt und Thüringen werden Telefontherapien honoriert. Auch in Sachsen scheint sich nun etwas dahingehend zu bewegen.

Cornelia Metge: Es ist zu früh, um genaue Zahlen nennen zu können. Die Tendenz ist steigend. Es gibt jedoch regionale Differenzen und unterschiedliche Akzeptanz bei den verschiedenen Altersgruppen unter unseren Patienten. In den ländlichen Regionen ist die  unzureichende Netzabdeckung mitunter  ein Problem. Videosprechstunden mit sehr jungen Kindern sind praktisch schwierig umzusetzen. In Einrichtungen der Jugendhilfe scheitert es zum Teil an der entsprechenden Technik oder ruhigen Rückzugsorten.

Wir haben im KJP-Ausschuss entschieden, kreativen Ideen der Kolleginnen und Kollegen zu sammeln und im elektronischen Magazin der OPK praktische Tipps an unsere Mitglieder weiterzugeben und zu veröffentlichen. Es soll eine „Ideenkiste“ mit hilfreichen Links, Materialien, Spielen oder Tipps für Umsetzungsmöglichkeiten von Therapieinhalten im Videokontakt gesammelt werden. Ich bin gespannt, was wir mit Ihrer Hilfe zusammentragen können!

 

Kommen die Patienten noch zu Ihnen in die Praxen oder haben Sie viele Absagen?

Cornelia Metge: Es gibt sehr wenige Absagen von Familien, die aus Gründen der sozialen Distanzierung nicht in die Praxis kommen möchten. Ich höre dieser Tage oft Sätze: „Wir sind froh, dass Sie für uns/ unser Kind da sind.“ Oder: „Unsere Familie ist am Limit, danke dass sie uns helfen, diese Zeit zu überstehen.“

 

Wie schützen Sie sich in den Praxen?

Cornelia Metge: Auch das hängt im Moment von der Kreativität des Einzelnen ab. Denn den Mindestabstand einzuhalten, gelingt im Kontakt mit Kindern nicht immer. Auch die geringe Verfügbarkeit von Desinfektionsmittel erschwert den Alltag. Insgesamt, halten sich die Kollegen an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) in puncto Hygienemaßnahmen und denen der Kassenärztlichen Vereinigungen.

 

Was halten Sie von der Empfehlung, mit Atemschutzmasken in den Therapiesitzungen zu sitzen? Wie könnte das auf Kinder und Jugendliche wirken?

Cornelia Metge: Auch diese Frage ist schwierig zu beantworten. Denn selbst die Empfehlungen des RKI sind hier wechselhaft. Unser Gesicht, ist auch Teil unseres Handwerkszeugs als Psychotherapeuten. Denn darüber transportieren wir Gefühle, signalisieren Empathie oder durch ein aufmunterndes Lächeln auch Hoffnung. Dies ist mit Atemschutzmaske schwer umzusetzen. Darüber hinaus sind gerade jüngere Kinder rasch zu verunsichern, wenn es von der Psychotherapeutin in Schutzkleidung empfangen wird. Als Vergleich: Die Kinderärzte wurden ausdrücklich gebeten, nur im Ausnahmefall eine Schutzmaske zu tragen, um die Kinder nicht mehr zu ängstigen, als es bei einem Arztbesuch ohnehin der Fall ist.
Aber auch hier ist es wichtig, seinen Weg als Psychotherapeut zu finden und auch das persönliche Sicherheitsbedürfnis nicht außer acht zu lassen.

 

Die Zeiten verlangen KJP-Kollegen besonders viel Flexibilität ab. Was haben Sie zum Beispiel an Ihrem Praxisalltag umstrukturiert, was gehen Sie heute ganz anders an?

Cornelia Metge: In meiner Praxis hat sich in den letzten Wochen vieles geändert, und so will ich nur ein paar Beispiele nennen. Die Patienten bzw. Eltern werden gebeten, erst kurz vor dem Termin zu kommen, bzw. die Kinder auch nach der Therapie pünktlich wieder abzuholen. So wollen wir vermeiden, dass sich zu viele Personen im Wartebereich aufhalten. Wir weisen schriftlich auf das Einhalten von Abständen, zum Bespiel bei der Vereinbarung von Terminen, hin. Wir händigen allen Patienten einen personalisierten Terminzettel aus, den  sie bei eventuellen Kontrollen vorzeigen können. Vor Beginn der Therapiesitzung gehe ich mit den Kindern gemeinsam Hände waschen. Die Sitzmöglichkeiten im Therapiezimmer wurden verändert. Gruppentherapien sind derzeit ausgesetzt. Die Patienten erhalten stattdessen Einzelsitzungen. Wenn Patienten bzw. deren Familienmitglieder sich krank fühlen bzw. Risikogruppen angehören, bitten wir sie, nicht persönlich zu erscheinen, sondern eine Videosprechstunde wahrzunehmen.

Wir desinfizieren regelmäßig Flächen und Böden. Den Engpass an Desinfektionsmittel konnte ich durch die Hilfe eines Zahnarztes ausgleichen. Er teilt mit mir seine Vorräte.

 

Haben Sie eine besondere Empfehlung, eine Bitte an die KJP-Kollegen?

Cornelia Metge: Eher eine Botschaft. Danke für die Kreativität und Umstellungsfähigkeit vieler Kollegen. Es hat sich gezeigt, dass durch Ideenreichtum, Vernetzung und Mut neue Wege zu und mit den Patienten gefunden werden konnten. Neben der Videosprechstunde haben sich auch Möglichkeiten des persönlichen Kontakts in der Praxis ergeben. Das wir unsere Praxen offen haben, ist für viele Betroffene wichtig.