In Jena fand vom 1. bis 2. Februar 2019 die Tagung unter dem Titel „Risiken und Nebenwirkungen der Psychotherapie“ statt. Es sei in der Tat die erste Tagung in Deutschland, die sich komplett mit diesem Thema beschäftigte, sagt Prof. Bernhard Strauß, der Leiter des Instituts für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie an der Universität Jena. Aus seiner Sicht hat es einen Grund, warum die Risiken und Nebenwirkungen hier bisher eine eher untergeordnete Rolle spielten: „Weil Psychotherapie bekanntlich immer etwas skeptisch gesehen wurde“.
Und wegen dieser Skepsis, so Strauß, musste man über viele Jahrzehnte immer zeigen, dass man gut ist. „Und da wäre natürlich so eine offene Diskussion von riskanten Aspekten der Psychotherapie, die natürlich am Rande immer schon erfolgt ist, aber nicht in dieser Breite, eher schwierig gewesen.“
Was gehört denn auf einen Therapie-Beipackzettel?
Professor Bernhard Strauß: Risiken und Nebenwirkungen sind im allgemeinen Bewusstsein wohl eher in der klassischen Medizin zu Hause. Dort, wo operiert wird und wo Medikamente und Arzneimittel ins Spiel kommen. Genau so wie in diesen Bereichen gilt aber auch bei der Behandlungsmethode Psychotherapie: Positive Effekte gehen immer auch mit der Möglichkeit von Nebenwirkungen einher. Die Frage ist deshalb: Welche klassischen Nebenwirkungen würden auf einem Beipackzettel für Psychotherapie stehen, wenn es einen gäbe?
Für den Psychologen Strauß gehören dazu etwa die Bildung von neuen Symptomen, oder die Verstärkung von vorhandenen Symptomen. Auch das Gefühl von Überforderung kann eine Nebenwirkung sein.
In bestimmten sozialen Kreisen gilt es möglicherweise als schwierig, wenn man sich in Psychotherapie begibt.
„Stigmatisierung kann also eine Nebenwirkung sein“, weiß Strauß, „oder dass sich eine psychotherapeutische Behandlung im sozialen Umfeld auswirkt. Dass man in der Therapie herausfindet, dass möglicherweise die aktuelle Partnerbeziehung für die Beteiligten nicht gut ist. Dass sich dann Veränderungen im sozialen Umfeld beispielsweise Trennungen ergeben.“
Werden Patienten über die Risiken aufgeklärt?
Das sind natürlich ganz andere Nebenwirkungen als Durchfall oder Juckreiz. Wenn eine Möglichkeit der Behandlung eine zeitweise Verstärkung der Symptome oder gar die Ehescheidung ist, dann geraten viele Patienten sicher in eine enorme Zwickmühle. Mit einem depressiven Patienten muss man das natürlich besprechen, erklärt Prof. Strauß. Denn eine Therapie kann auch zu einer Krise führen, und diese möglicherweise zu Selbstmordgedanken. Auch hier ist es wie mit dem Beipackzettel. Die erwartete positive Wirkung der Behandlung steht meist einer überschaubaren Aufzählung schrecklicher Nebenwirkungen gegenüber.