2. Ostdeutscher Psychotherapeutentag in LeipzigBrücken bauen zwischen psychotherapeutischer Praxis und wissenschaftlicher Forschung

Leipzig wurde am 21. und 22. März 2014 zum Mekka der ostdeutschen Psychotherapeuten. An diesen Tagen lud die in Leipzig ansässige Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer (OPK) zum 2. Ostdeutschen Psychotherapeutentag (OPT) ein. Mehr als 500 Teilnehmer folgten der Einladung. Damit war der ausgebuchte Kongress wie schon bei der ersten Austragung vor drei Jahren ein voller Erfolg. Mit der Themenauswahl der Plenumsvorträge, wie „Was wirkt bei wem in der Psychotherapie“ und einer viel beachteten Podiumsdiskussion zu „Nebenwirkungen von Psychotherapie“, schaute  der Kongress den Therapeuten in der Praxis über die Schulter. Das übergeordnete Thema lautete „Therapeutische Beziehungen“. Die Konferenzteilnehmer beleuchteten die verschiedenen Facetten und Implikationen für die Praxis in zahlreichen Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden aus unterschiedlichen Perspektiven.

Ein besonderes Anliegen des Kongresses war es, Brücken zu bauen zwischen der psychotherapeutischen Praxis und ihrer wissenschaftlichen Erforschung. So diskutierten die Experten vor allem, welche Erkenntnisse die Forschung für die Praxis liefern, was die Praxis wiederum zu einer für alle Beteiligten relevanten Forschung beitragen und wie die Beziehung zwischen Praxis und Forschung noch enger werden kann.

Die Präsidentin der OPK, Frau Andrea Mrazek, bekräftigte dies in ihrer Begrüßungsrede. Die Präsidentin, die zugleich die wissenschaftliche Leitung des Kongresses innehatte, stellte fest: „Die kollegiale Zusammenarbeit zwischen der Praxis und der Forschung ist eine wechselseitige und förderlich – zum Wohle des Patienten.“ Die Präsidentin spannte in ihrer Begrüßungsrede den Bogen zwischen den theoretisch fundierten und praxisnahen Kongressinhalten. Zugleich lud sie alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein, neben der nachgewiesenen Wirkung auch die Nebenwirkungen psychotherapeutischer Maßnahmen zu diskutieren. Die sächsische Sozialministerin Christine Clauß stellte in ihrem Grußwort die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung der Psychotherapie heraus. Es müsse jedem psychisch erkrankten Menschen in Sachsen möglich sein, eine schnelle und hochqualifizierte Versorgung durch einen Psychotherapeuten zu bekommen. Die Teilnehmer des OPT und alle Psychotherapeuten sicherten damit die Gesundheit als wichtiges, schützenswertes Gut, in dem sie zur effektiven Heilung psychisch Kranker maßgeblich beitrugen. „Wenn die Seele weint, dann sieht man keine Tränen“ betonte sie. Sozialministerin Clauß werde sich persönlich dafür einsetzen, dass Patienten künftig eine schnellere therapeutische Behandlung in Anspruch nehmen können, verkündete sie anlässlich des 2. OPTs.

Anschließend sprachen zwei der weltweit renommiertesten Psychotherapieforscher vor dem vollbesetzten Plenum. Der US-Amerikaner Professor John C. Norcross teilte in einem äußerst lebendigen und prägnanten Überblicksvortrag seine aus mehr als 25 Jahren aktiven Forscherlebens entstandenen Erkenntnisse mit den gebannten Kongressteilnehmern. In seinen mitreißenden Ausführungen zur „therapeutischen Beziehung: was wirkt bei wem? Beiträge der Forschung für die Praxis“ beschäftigte sich der Experte von der University of Scranton, Pennsylvania, zunächst mit den allgemein wirksamen Bestandteilen von Psychotherapie. Er präsentierte eine breite und überzeugende empirische Evidenz für seine Hauptthese, nach der der Therapieerfolg größtenteils von der therapeutischen Beziehung und nicht vornehmlich von den angewandten therapeutischen Verfahren und Methoden abhänge. Anschließend stellte er konkrete therapeutische Verhaltensweisen vor, um die therapeutische Beziehung optimal zu gestalten. Diese Verhaltensweisen erhöhe die Effektivität von Psychotherapie. Das sei erwiesen. Zu ihnen gehörten beispielsweise die Herstellung der therapeutischen Allianz, unterschiedliche empathische Verhaltensweisen und das Feedback für die Patienten. Als besonderes Highlight erhielten die Teilnehmer das Angebot, mit Norcross zusammen in einem intensiven Workshop alle Thesen zu vertiefen. So konnten sie gemeinsam zahlreiche Anregungen für ihre eigene therapeutische Arbeit erarbeiten, um das Therapeut-Patienten-Verhältnis noch besser zu verbessern.

Im Anschluss lud der bekannte, kanadisch stämmige Professor Louis G. Castonguay alle Teilnehmer ein, seine Erfahrungen auf einem wichtigen Gebiet zu teilen: „Forschung für die Praxis: Wie hilfreich ist Psychotherapieforschung?“. Der Experte von der Penn State University gab interessante Einblicke, wie die eigene psychotherapeutische Arbeit und ihr Erfolg durch konkrete empirische Befunde weiter verbessert werden kann. Dabei muss ein Therapeut die eigene – oft jahrelang bewährte Praxis – keineswegs tiefgreifend verändern. Professor Castonguay beschäftigt sich hauptsächlich mit affektiven Störungen. Seine Erkenntnisse lassen sich gleichzeitig auf alle anderen Störungsbilder übertragen, die von Psychotherapeuten behandelt werden.

Aber auch andere Störungsbilder standen im Fokus der verschiedenen Veranstaltungen. Professor Rainer Sachse, seit gut 13 Jahren Leiter des Institutes Psychologische Psychotherapie in Bochum, referierte hierzu. Der Wissenschaftler machte seine Erkenntnisse bereits vor zahlreichen Expertengremien und Konferenzen sowie in verschiedenen hochrangigen Publikationen öffentlich. Er trug dem Plenum sein umfassendes Konzept zur „Therapie bei Persönlichkeitsstörungen“ vor. Anhand von lebensnahen Fallstudien stellte er die Besonderheiten im Umgang mit bestimmten Patientenarten heraus. Aktuelle Forschungsergebnisse einer großen, schulenübergreifenden Studie, wurden von Professor Bernhard Strauß und Professor Jürgen Hoyer präsentiert. Strauß stellte die Ergebnisse aus psychodynamischer dar, während Hoyer das beachtliche Datenmaterial aus verhaltenstherapeutischer Sicht diskutierte. Ein brandaktuelles, wenngleich noch zu wenig beachtetes Thema, wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion erschlossen: „Nebenwirkungen von Psychotherapie“.

Die Nachmittage standen jeweils im Zeichen praktischer Workshops. So ging es zum Beispiel um Strategien, wie man den so genannten Burnout vermeiden könne. In dem breiten Angebot wurde bewusst genügend Raum für Themen aus der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie gelassen. Dabei gab es zahllose praktische Hinweise für die Arbeit mit Bezugspersonen wie auch zur Gruppentherapie mit Kindern und Jugendlichen. Aus den Bereichen der Psychoonkologie und Neuropsychologie wurden ebenfalls attraktive Workshops angeboten.

Zum Abschluss öffnete der Kongress seine Türen für die breite Öffentlichkeit. Rund 200 Teilnehmer wollten mehr erfahren über die Volkskrankheit Rückenschmerz: „Ich hab‘s doch im Rücken und nicht im Kopf“ Dieses Thema brachte der Mainzer Psychotherapeut und Schmerzspezialist Dr. Paul Nilges seinem Publikum nahe. Dabei deckte er Mythen und Fakten rund um Schmerzen und deren Behandlung auf. So widerlegte er die weitverbreitete Annahme, dass Männer allgemein mehr Schmerzen haben als Frauen. Zugleich konstatierte er, dass man chronischen Schmerzen anders beikommen könne als nur durch eine rein medikamentöse Therapie. Das zahlreich erschienene Publikum stellte im Anschluss viele Fragen. So konnte es nicht nur theoretische, sondern gerade auch zahlreiche praktische Hinweise zum Umgang mit Schmerzen mit nach Hause nehmen.


 
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