Am 23. Juni 2021 legte der Lehr- und Forschungsbereich Angewandte Sexualwissenschaft der Hochschule Merseburg unter Studienleiter Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß einen Monitoring-Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention im Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen im Land Sachsen-Anhalt vor. Dieser Bericht reflektiert die Versorgungssituation für von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffene Mädchen und Frauen allgemein. Zusätzlich wird spezifisch auf marginalisierte Gruppen eingegangen – insbesondere behinderte Mädchen und Frauen und geflüchtete Mädchen und Frauen. Für den Monitoring-Bericht wurden Dokumente gesichtet und zusätzlich mit Vertreter*innen aus dem Handlungsfeld Interviews geführt.
Der Bericht macht dringende Bedarfe für Sachsen-Anhalt deutlich: etwa bezogen auf die flächendeckende Versorgungssituation mit Frauenhäusern, Fachberatungsstellen für Betroffene sexualisierter Gewalt, die rechtsmedizinische Notfallhilfe (bedeutsam etwa für rechtssichere Spurensicherung) sowie die Versorgung mit Trauma-ambulanzen.
Die Ergebnisse der Monitoring-Studie der Hochschule Merseburg finden Sie hier: Monitoring-Studie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Sachsen-Anhalt – FINAL
Nach der Vorstellung der zentralen Ergebnisse des Monitoring-Berichtes fand am selben Tag eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen Vertretern aus den Institutionen und der Versorgung statt. Darunter war für die OPK auch Vorstandsmitglieder Dr. Sabine Ahrens-Eipper. Sie stellte die psychotherapeutische Arbeit im Opferschutz in den Fokus. Ein dringendes Anliegen war ihr das Thema und der sich hartnäckig unbegründet haltende Mythos, dass sich Psychotherapie vor und während juristischer Verfahren ausschließen würden. Dr. Sabine Ahrens-Eipper untermauerte die Frage der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen bei gleichzeitiger Psychotherapie mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, bei dem in der Gesetzesbegründung eingefügt wurde: „Auch darf und muss, soweit medizinisch-psychologisch indiziert, ohne Rücksicht auf die in einem Strafverfahren anstehenden Vernehmungen mit einer Therapie begonnen oder eine bereits begonnene Therapie weiter durchgeführt werden. Anderslautende Empfehlungen, mit dem Therapiebeginn bis zum Abschluss des Strafverfahrens zuzuwarten, wären geeignet, die Gesundheit der Verletzten zu gefährden und finden eine Stütze weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung. Insbesondere ist der Beweiswert von Zeugenaussagen, die erst nach oder während einer Therapie erfolgen, nicht generell geringer. Es ist lediglich erforderlich, dass das Tatgericht die Tatsache der Therapie in seinem Urteil erwähnt und sich bei der Beweiswürdigung auch mit dieser Tatsache auseinandersetzt (BGH, Beschluss vom 25. 11. 1998 – 2 StR 496/98, NStZ-RR 1999, 108).“
(Lesen Sie den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder , hier zitiert von Seite 44)
Eva von Angern, Vorsitzende und gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt, resümierte zum 10. Jubiläum der Istanbul-Konvention im Mai 2021: „Zehn Jahre nach Unterzeichnung der Istanbul-Konvention hat sich in Deutschland und Sachsen-Anhalt nicht wirklich viel bewegt. Im Gegenteil – die Corona-Pandemie hat bestehende Fehlstellen noch einmal ganz deutlich zutage treten lassen. Noch immer ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/ oder sexualisierter Gewalt betroffen. Jede Vierte wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Physische und psychische Gewalt gegen Frauen muss entschieden bekämpft werden. Es ist an der Zeit, endlich konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Diese wären unter anderem die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für von Gewalt betroffene oder bedrohte Mädchen und Frauen in Sachsen-Anhalt, eine bundesweit einheitliche, einzelfall- und tagessatzunabhängige, bedarfsgerechte Finanzierung der Frauenschutzhäuser sowie im Rahmen von Gewaltschutzprojekten Angebote für Kinder, die von Gewalt mitbetroffen sind. Es besteht dringender Handlungsbedarf und keinerlei Grund zum Feiern.“