Neue Versorgungskonzepte: Onlinetherapie und VeovitaVortrag zu unterstützenden Zusatzangeboten zur Psychotherapie

Die Präsidentin führte in das Thema ein und erinnerte daran, dass man bereits bei der Novellierung der Berufsordnung vor einigen Jahren gemeinsam darüber diskutiert hatte, inwieweit es berufsrechtlich zulässig ist, psychotherapeutische Angebote auch ohne persönlichen Kontakt mit den Patienten zu erbringen. Damals habe man sich dazu entschieden, dass es in Ausnahmen auch möglich sein kann, psychotherapeutische Leistungen nicht höchstpersönlich zu erbringen.

In den vergangenen Jahren hat sich jedoch viel getan. Die Erforschung der Wirksamkeit von online-basierten Angeboten ist in vielen Bereichen vorangegangen. Die Kolleginnen und Kollegen an den Universitäten waren hier sehr aktiv. Auch die Krankenkassen zeigen verstärkt ein großes Interesse daran, solche Angebote zu etablieren und zu integrieren. Man darf dabei nicht aus den Augen verlieren, dass dies unter ganz unterschiedlichen Voraussetzungen geschieht und für ganz unterschiedliche Zwecke. Auch interessieren sich die Krankenkassen dafür, neue Versorgungskonzepte ins Feld zu bringen – sei es unter der Maßgabe der Patientensteuerung, sei es unter Zusammenführung verschiedener Angebote. Nicht immer wählen dabei die Kassen einen Weg, der aus der Perspektive qualitativ hochwertiger Versorgung der Patienten der sinnvollste erscheint. Hierüber müssen wir in Zukunft verstärkt ins Gespräch kommen. Aufgabe des Berufsstandes kann es dabei nur sein, aus fachlicher Perspektive zu bewerten, was ein sinnvolles und wirksames Angebot von einem nicht sinnvollen oder gar schädlichen Angebot unterscheidet. Dabei müssen wissenschaftliche Ergebnisse, Nützlichkeit und die Gesamtverantwortung der approbierten Heilberufe im gleichen Maße mit bedacht werden.

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Der GAIA AG-Geschäftsführer, Dr. Mario Weiss.

Um sich ein Bild davon zu machen, wie der derzeitige Stand der Forschung zu onlinebasierten Angeboten zu bewerten ist, begrüßte die Präsidentin den Geschäftsführer der GAIA AG, Dr. Mario Weiss als Referenten. Der Arzt und Diplom-Psychologe gab zunächst einen kritischen Überblick über derzeit bestehende Angebote ganz unterschiedlicher Coleur die Krankenkassen derzeit anbieten, sowie deren Evaluation und haftungs- und datenschutzrechtlichen Grundlagen. Anschließend folgte ein umfassender Überblick über die klinische Studienlage zur Wirksamkeit von deprexis, einem onlinebasierten Programm zur unterstützenden Behandlung. Mehrerer Studien und eine Metanalyse konnten die Wirksamkeit von deprexis in den letzten Jahren, v.a. bei der Linderung der depressiver Symptomatik, zeigen. Auch für die Behandlung komorbider depressiver Störungen bei MS-Patienten finden sich in einer kürzlich vorgelegten Studie Hinweise. Die besten Ergebnisse finden sich in allen Studien für die persönliche psychotherapeutische Behandlung und dem unterstützenden Einsatz von deprexis.

Die Delegierten der Kammerversammlung diskutieren die Befundlage und die Ergebnisse engagiert und kritisch, Auch wenn alle Studien auch durchaus methodische Schwachpunkte haben, so sind deren Ergebnisse doch nicht vernachlässigbar. Umso wichtiger erscheint es, dass, wenn ein Instrument seine Nicht-Schädlichkeit und Nützlichkeit zeigen sollte, dessen Einsatz in fachlich fundierte Hände gehört. Es ist nun auch an der Psychotherapeutenschaft, Kriterien und Indikatoren für fachlich sinnvolle Hilfsmittel zu definieren und deren ausschließlich fachlich fundierten Einsatz zu fordern, soweit diese zur unterstützenden Heilbehandlung eingesetzt werden sollen.

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PD Dr. Gitta Jacob, ebenfalls von der GAIA AG.

Die nächste Referentin, Frau PD Dr. Gitta Jakob, Psychologische Psychotherapeutin, kam ebenfalls von der GAIA AG und zeichnet verantwortlich für das Projekt der integrierten Versorgung „Veovita“ mit der DAK. Dieses Projekt versteht sich als unterstützende und koordinierende Plattform, um den Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung für DAK-Versicherte möglichst bald zu realisieren. Ziel des Projekts sei es aber auch als Unterstützung für Psychotherapeuten zu dienen, indem dort Patientenmanagement und beispielswiese diagnostische Vorerhebungen auf Wusch übernommen werden könnten. Als Zielgruppe hat sich die DAK auf Patienten fokussiert, die aufgrund von psychischen Erkrankungen arbeitsunfähig sind, was ob der aktuellen Datenlage, die die DAK als Krankenkasse mit den deutschlandweit meisten Arbeitsunfähigkeitstagen zeigen, nicht überraschen dürfte. Frau Dr. Jakob erläutert die angedachte Kooperationsstruktur von Veovita mit approbierten Psychologischen Psychotherapeuten und warb um Teilnahme und auch kritische Rückmeldungen. Ein neuer Vertrag mit der DAK habe dabei nochmal die Fachlichkeit der Angebote sichergestellt, was sich demnächst auch in der Website widerspiegeln solle. Man hoffe, mittelfristig ein enges Netzwerk an Kooperationspartnern aufzubauen. Auch im KJ-Bereich sei es mittelfristig wünschenswert, ähnliche Konzepte aufzulegen.

Es entstand ein reger Austausch über den möglichen Nutzen und Risiken und Befürchtungen bezüglich eines solchen Projekts. Zustimmung herrschte vor allem darüber, dass neue Ideen vorangebracht werden müssen, wie Patienten schneller eine notwendige psychotherapeutische Behandlung erhalten können. Klar ist dabei, dass die Ausübung von Heilkunde ausschließlich in approbierte Hände gehört. Dabei konnten es sich einige Delegierte durchaus vorstellen, unterstützende Aufgaben auch an andere abzugeben. Der Vorteil wäre hier, dass für das eigentlich therapeutische Handeln mehr Zeit übrig wäre. Unumstritten ist als grundsätzliche Voraussetzung von Kooperationsstrukturen, dass die Gesamtverantwortung von psychologischen Psychotherapeuten getragen wird. Diese entscheiden ebenso darüber, welche Angebote und Zusatzangebote jeder einzelne Patient nach seinem individuellen Bedarf benötigt.

Es ist wünschens- wie lohnenswert, dass sich der Berufsstand auch mit Versorgungsmanagement und unterstützenden Zusatzangeboten beschäftigt. Diese Diskussionsfortsetzung und diesen erneuten Denkanstoß setzte die 19. Kammerversammlung.

Dr.  Andrea Walter
wissenschaftliche Referentin OPK