„Diffamierung der Psychotherapie durch Ärzte muss ein Ende haben!“Angriffe der Ärztefunktionäre gefährden die Reform der Psychotherapeutenausbildung

Dr. Gregor Peikert, OPK-Präsident

Dass mit fortschreitendem Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Psychotherapeutenausbildung die Diskussionen dynamischer werden, dient der politischen Meinungsbildung und ist zu begrüßen. Verwunderlich und ärgerlich finde ich, dass im Vorfeld des Deutschen Ärztetages einige Meinungsbildner zu Stilmitteln propagandistischer Desinformation greifen („Barfußärzte für die Seele“, „Bader-Chirurgen … in der mittelalterlichen Ständegesellschaft“), den psychotherapeutischen Berufsstand diskreditieren und damit das Anliegen der Gesetzesreform in Gefahr bringen.

Die Reform ist notwendig, um wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Der Erkenntnisstand über die menschliche Psyche und ihre Störungen ist in den letzten Jahrzehnten derartig angewachsen, dass ein eigener Studiengang notwendig geworden ist, um fundiert und zukunftstauglich auf die Ausübung psychotherapeutischer Heilkunde vorzubereiten. In der Gesellschaft hat sich die Erwartung etabliert, dass psychotherapeutische Behandlung für jeden flächendeckend möglich ist. Mit dem Gesetz zur Ausbildungsreform soll die psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung für die Zukunft gesichert werden.

Dem Anliegen abträglich sind Behauptungen, die Gesetzesreform gefährde die Patientensicherheit oder würde unzureichend ausgebildete Behandler hervorbringen. Die Sorge, die einige Funktionsträger ärztlicher Interessenverbände umtreibt, verstehe ich durchaus: wenn Psychotherapeuten in ihrer Rolle als Fachleute für seelische Gesundheit gestärkt werden, könnte sich die Bedeutung von Ärzten für Psychiatrie oder für Psychosomatik verändern.

Veränderungen werden nicht zu einem Nachteil, sondern zu besserer Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen führen. Schon jetzt werden nicht mehr genügend Ärzte in den „P-Fächern“ ausgebildet. Auch qualitativ ist es vorteilhaft, wenn neben Ärzten ausreichend viele Spezialisten für Psychotherapie zur Verfügung stehen.

Um es klarzustellen:

  • ⇒Psychotherapeuten sind wissenschaftlich und praktisch sehr gut ausgebildete, verantwortungsbewusste und der Berufsethik verpflichtete Angehörige akademischer Heilberufe. Psychotherapeutische Berufsordnungen enthalten an einigen Stellen wesentlich strengere Vorgaben zur Patientensicherheit als andere Berufsordnungen für Heilberufe. Daran wird sich durch eine Ausbildungsreform nichts ändern.
    ⇒Die Pflicht zur Sorgfalt, darunter auch zur somatischen Abklärung, ergibt sich aus den Berufsordnungen. Zusätzliche Einschränkungen in einem Psychotherapeutengesetz drücken Misstrauen aus, aber verbessern die Sicherheit von Patienten nicht.
    ⇒Dass zukünftige Psychotherapeuten, genau wie Ärzte, die Approbation nach dem Studium erhalten sollen, entbindet sie nicht von der Notwendigkeit der Weiterbildung. Fachkunde und selbstständige Berufsausübung werden auch bei Psychotherapeuten den Abschluss einer Fachweiterbildung erfordern.
    ⇒Es ist nicht vorgesehen und war es auch nicht, dass Psychotherapeuten, die nicht Ärzte sind, Verordnungsbefugnisse für Medikamente erhalten. In der Diskussion war lediglich ein Modellstudiengang, und dieser Vorschlag wurde inzwischen verworfen.

Ich hoffe sehr, dass sich im Gesetzgebungsverfahren Argumente durchsetzen, die nicht ängstlich am Status quo festhalten wollen, sondern die Veränderungen und Verbesserungen für Menschen mit psychischen Störungen im Blick haben. Wenn der politische Diskurs dazu mit Sachlichkeit und Respekt geführt würde, stünde das allen akademischen Heilberufen gut zu Gesicht.

 

Dr. Gregor Peikert, Präsident der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer