Überdies hatte es Spahn schon vor der Verabschiedung seines Gesetzes geschafft, rund 200.000 Menschen gegen sich aufzubringen. Dies geschah in Form der Petition gegen die geplante Reform des Zugangs zur psychotherapeutischen Versorgung. Am Donnerstag wurde die Petition zur Ablehnung des im Kabinettsentwurfs des TSVG vorgesehen Konzepts der „gestuften und gesteuerten Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung“ mit mehr als 197.000 Unterstützern an den Petitionsausschuss überreicht. Zudem hatte die OPK gemeinsam mit den anderen Landeskammern, der BPtK und den Berufsverbänden eine ausführliche eigene Stellungnahme zu den Auswirkungen des geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetzes an die Politik gegeben und die ersatzlose Streichung des § 92 Absatz 6a SGB V zur gestuften Versorgung gefordert.
Spahns Entwurf sieht vor, dass sich die Patienten künftig erst von „besonders qualifizierten Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten“, die sie sich nicht auswählen können, voruntersuchen lassen, bevor sie eine Therapie beginnen können. Die Grünen kritisieren, dass dies nicht zu einer niedrigschwelligen Versorgung führe, sondern die Hürden erhöhe. „Dieser Passus muss raus“, forderte die Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther. „Was wir stattdessen brauchen sind mehr Psychotherapeuten – gerade auf dem Land“. Auch die SPD sprach sich in der Debatte gegen neue Hürden bei der Versorgung von psychisch Kranken aus.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut, Berichterstatter für Psychiatrie und Psychotherapie, hatte bereits früh die kritische Haltung der Fachverbände unterstützt. Die SPD-Fraktion folgt nun einhellig seinem Kurs. „Die kritisch diskutierte Regelung hätte dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Befugnis erteilt, eine neue Versorgungsstruktur in der Psychotherapie zu entwickeln. Die Verbände der Psychotherapeuten befürchteten meiner Ansicht nach zu Recht, dass dadurch unnötig neue Hürden für die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer psychischen Erkrankung geschaffen würden. Ebenso bestand die Gefahr, dass diese Neustrukturierung ein Ende der freien Wahl von Therapeut und Therapieverfahren in der psychotherapeutischen Behandlung herbeiführt“, erklärt der Abgeordnete Heidenblut.
Die SPD-Gesundheitspolitiker planen stattdessen einen strukturierten Dialog mit allen beteiligten Verbänden, um ein umfassendes, sektorenübergreifendes Konzept für die Versorgung psychisch Kranker zu entwickeln. „Ich bin froh, dass eine Expertengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung dazu bereits seit einiger Zeit tagt und Anfang des nächsten Jahres ein Positionspapier veröffentlichen wird“, so Heidenblut weiter.
Wie Alexander Krauß, der aus Sachsen stammende CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete und Berichterstatter im Gesundheitsausschuss des Bundestages gegenüber dem OPK-Magazin schilderte, wird die Durchsetzung dieses Passus zur gestuften und gesteuerten Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung im TSVG keine Mehrheit finden. „Das Gesundheitsministerium konnte in der Lesung nicht plausibel darlegen, was genau im Endergebnis die Beauftragung des G-BAs zu diesem Sachverhalt bringen soll.“ Statt dessen sei die öffentliche Wahrnehmung von Psychotherapie und die Diskussion zur psychotherapeutischen Versorgung , die im TSVG nur ein Randgebiet darstellt, für Politiker wie Krauß eindrücklich gewesen. „Wir möchten die Diskussion dahingehend fortführen, wie man die psychotherapeutische Versorgung verbessern kann. Dabei denken wir weiter in Richtung Erleichterungen in der Gruppentherapie sowie der regionalen Prüfung einer punktuellen und zeitlich befristeten Aufhebung der Zulassungssperre auch für Psychotherapeuten.“