„Die Versorgung psychischer Erkrankungen ist überall ein großes Problem und zur Zeit nicht gegeben.“OPK-Präsidentin Andrea Mrazek über die psychotherapeutische Versorgungslage von Flüchtlingen und der berechtigten Sorge um erschöpfte ehrenamtliche Helfer

Frage: Wie schätzt die OPK den tatsächlichen Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung von Flüchtlingen ein?

Andrea Mrazek: Zur Zeit ist es in allen Bereichen der Versorgung sehr schwierig, den Bedarf einzuschätzen. Wir können aber davon ausgehen, dass die Prävalenz psychischer Störungen international ziemlich vergleichbar ist. Weiter können wir annehmen, dass die Flucht selbst, Erfahrungen und Erlebnisse bei einem Teil der flüchtenden Menschen zu psychischen Reaktionen führen wird. Ob diese vorübergehend oder chronisch verlaufen, hängt davon ab, wie die weiteren Lebensumstände gestaltet sind: z.B. unsicherer Bleibestatus über lange Zeit, unklare Zukunftsperspektive, beengte Unterbringung, keine Beschäftigung. Das kann dazu führen, dass sich behandlungsbedürftige, psychische Erkrankungen entwickeln, spätesten dann geht es nicht mehr ohne Psychotherapie.

 

OPK-Präsidentin Andrea Mrazek

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  • geboren 1958 in Wien,
  • Studium der Philosophie und der Psychologie in Wien, Tübingen und Carbondale/Indiana (USA)
  • Berufliche Tätigkeiten: Psychiatrisches Landeskrankenhaus Winnenden (Ba-Wü), Privatpraxis, seit 1993 in Radebeul (Sachsen) niedergelassen; Lehrtherapeutin  und Leiterin der Ausbildungsambulanz am „Zentrum für Psychotherapie“ in Chemnitz
    Supervisorin und Dozentin in der Ausbildung Verhaltenstherapie
  • Doppelapprobation als Psychologische Psychotherapeutin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
  • Seit 2007 Präsidentin der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer
  • Fachliche und wissenschaftliche Schwerpunkte:
    Behandlung von Persönlichkeitsstörungen und chronisch depressiven Störungen
    Traumatherapie, interpersonelle Therapie
    Interaktionszentrierte Supervision

Frage: Wie sieht die psychotherapeutische Versorgungslage gegenwärtig in den einzelnen Bundesländern der OPK aus?

Andrea Mrazek: Die Versorgung psychischer Erkrankungen ist überall ein großes Problem und zur Zeit nicht gegeben. Die größten Hürden sind die Sprachbarriere und die Finanzierung von Dolmetschern. Dann ist natürlich sofort das nächste Problem die Kapazitäten. Wir haben zwar als Kammer in den letzten zwei Jahren durch die Zulassung von neuen Psychotherapeutinnen eine deutliche Verbesserung erreicht. Aber das reicht nicht einmal in allen ländlichen Gebieten aus. Die vorhandenen PsychotherapeutInnen können nicht sehr viele Behandlungen zusätzlich stemmen, wenn sie auch noch so gerne wollten. Wir brauchen daher neue Zulassungen, speziell für die Behandlung von Asylsuchenden. Vorzugsweise sollten diese in den psychosozialen Zentren für die Betreuung von Flüchtlingen angegliedert sein – Menschen, die sich zu uns flüchten, brauchen auch Basisinformationen und Beratung. Das ist Teamarbeit.

Frage: Sehen Sie schnellere Lösungsansätze in der psychotherapeutische Versorgungslage? Und wenn ja, wo?

Andrea Mrazek: Nein, schnelle Lösungen gibt es hier leider nicht. Ich sehe noch die besseren Chancen in der Entwicklung von fachlich geleiteten psychosozialen Interventionen, die frühzeitig auf psychische Beschwerden aufmerksam machen und so ein chronisch-Werden verhindern helfen.

Frage: Wie lange wird das politisch so gepriesene Modell „Ehrenamtliche stemmen die Flüchtlingsarbeit“ aus Ihrer Erfahrung und Sicht noch gehen, bevor diese ausgebrannt sind?

Andrea Mrazek: Mein Eindruck bei Gesprächen in einer Erstaufnahmeeinrichtung waren die, dass bei den Ehrenamtlichen eigentlich nichts mehr geht. Erste Anzeichen für Erschöpfung und Burnout sind erkennbar. Jedoch das große Engagement der ehrenamtlichen Helfer wird bewirken, dass es noch einige Zeit fortgeführt werden kann. Über kurz oder lang sind die Leute erschöpft und können diese Einsätze nicht mehr leisten. Ohne gute hauptamtliche Strukturen und eine gute Verteilung der Belastungen wird das auf die Dauer, die wir glasklar vor uns sehen, nicht geleistet werden können.

Frage: Was wird die OPK ihren Mitgliedern an Fort- und Weiterbildung für die Flüchtlingsversorgung in nächster Zeit anbieten?

Andrea Mrazek: Wir planen Fortbildungen zu interkultureller Therapie, zur Arbeit mit Dolmetschern und möchten möglichst bald einen Tag zur Entlastung und Burnout-Prophylaxe für ehrenamtliche Helfer durchführen. Ich möchte mich auch bei den Kammermitgliedern für die große Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement bedanken. Helfen, wenn man helfen kann, ist für Heilkundler eine ethische Verpflichtung.