Darüber hinaus sind derzeit viele Einzelheiten, die für die praktische Umsetzung in den einzelnen Praxen in höchstem Maße relevant sein werden, bisher noch nicht festgelegt. So stehen sowohl die genauen Umsetzungsdetails der psychotherapeutischen Sprechstunde und der Akutbehandlung, als auch einzelner Dokumentationsinhalte wie etwa der individuellen Patienteninformation noch aus. Und auch der Bewertungsausschuss wird die Vergütung der neuen Leistungen erst festsetzen, wenn der Beschluss innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten nicht vom Bundesministerium für Gesundheit beanstandet wird. Wir haben uns nun mit unseren Bedenken, dass die beschlossenen Änderungen das eigentliche Ziel einer verbesserten psychotherapeutischen Versorgung nicht zu erreichen vermögen, an das Bundesministerium für Gesundheit gewandt und eine kritische Überprüfung des Beschlusses und Rücküberweisung an den G-BA gefordert.
„Ein Kompromiss ist das beste Ergebnis, das man erzielen konnte. Und das schlechteste, das man erreichen konnte.“
Als von der Gesundheitspolitik betroffene Psychotherapeutin fragt man sich mitunter, wie der Weg von ehrenwerten politischen Zielen zu der konkreten Ausgestaltung vonstatten gegangen ist – und was unterwegs wohl geschehen ist. Denn auf dem Weg von den ursprünglich intendierten Zielen zur ausgehandelten Vereinbarung scheinen zentrale Elemente des Zieles mitunter schlicht abhanden gekommen zu sein. Eine zentrale Stellung in gesundheitspolitischen Fragestellungen nimmt das oberste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung – der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) – ein. Der Gesetzgeber überträgt viele Aufgaben der konkreten Ausgestaltung der Rahmenbedingungen der gesundheitlichen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter – und das sind immerhin rund 70 Millionen Menschen in Deutschland– dem G-BA. Unter der Maßgabe einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Gesundheitsversorgung gestaltet er den festgelegten Leistungsanspruch der gesetzlich Versicherten und legt Richtlinien zu deren konkreter Umsetzung fest. Das zentrale Entscheidungsgremium setzt sich zu gleichen Teilen aus Vertretern der Kostenträger (5 Vertreter des GKV-Spitzenverbandes) und aus Vertretern der Leistungserbringer (2 Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, 2 Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft und 1 Vertreter der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung), sowie 3 Unparteiischen Mitgliedern zusammen. Weiterhin nehmen an den Beratungen 5 Patientenvertreter teil, die zwar Anträge einbringen und beratend tätig werden können, jedoch kein Stimmrecht haben. Die stimmberechtigten Vertreter so gegenläufiger Interessenlagen sind dabei gehalten, auf einen Konsens hinzuwirken. Die Entscheidungen im Plenum werden durch 9 Unterausschüsse im Vorfeld beraten und vorbereitet. Bundespsychotherapeutenkammer, Bundesärztekammer und Bundeszahnärztekammer sind regelhaft – und ohne Stimmrecht – lediglich im Unterausschuss Qualitätssicherung involviert und haben weiterhin bei relevanten Fragestellungen das Recht zur Stellungnahme. Von diesem haben hier beide Kammern Gebrauch gemacht– jedoch ohne durchschlagenden Effekt. Die Vorschläge wurden Größtenteils nicht aufgenommen. Die vorliegende Richtlinienänderung war bis zum Schluss äußerst kontrovers verhandelt worden und zeigt dabei an vielen Stellen, worin der Unterschied zwischen einem echten Konsens und einem faulen Kompromiss besteht.
Die OPK hat dabei als Landeskammer in aller ersten Linie die Möglichkeit, ihre Position über die Bundespsychotherapeutenkammer und deren Gremien in die Debatte einzubringen. Außerdem haben wir im Vorfeld Gespräche auf Landes- und Bundesebene mit Vertretern von Kostenträgern und Patientenvertretern geführt und den Standpunkt der OPK deutlich gemacht. Der nun vorgelegte Änderungsbeschluss der Psychotherapie-Richtlinie ist unserer Auffassung nach nicht dazu geeignet, das eigentlich beabsichtigte und auch klar formulierte Ziel des Gesetzgebers einer verbesserten psychotherapeutischen Versorgung zu erreichen.
Aus diesem Grund haben wir uns an den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe gewandt und um eine kritische Überprüfung des Beschlusses gebeten. Das BMG hat nach § 94 SGB V die Möglichkeit, bei Beanstandung den Beschluss rück zu überweisen oder nur unter Auflagen zu erteilen. Die Präsidentin Andrea Mrazek hat sich letzte Woche mit dieser Forderung an das BMG gewandt, das entsprechende Schreiben steht Ihnen hier als Download zur Verfügung.