„Die Akutbehandlung ist nicht als Überbrückung zur Richtlinien-Psychotherapie gedacht.“Akuttherapie, Sprechstunde, telefonische Erreichbarkeit, Vereinfachung der Gruppentherapie - Dr. Thomas Uhlemann im Kurzinterview

Frage: Der GKV-Spitzenverband hatte 2013 in einem Positionspapier Vorschläge für reformierte Angebote der ambulanten Psychotherapie vorgestellt. Schon damals stellten Sie sich darin nach 12 Stunden Kurzzeittherapie eine Zwangspause von 6 Wochen vor. Erst nach diesen waren weitere 10 Stunden Psychotherapie vorgesehen. Im aktuellen G-BA-Beschluss scheint sich dies – zwar in anderer Form, aber dennoch – wiederzufinden. Die Kurzzeittherapie ist in zwei antragspflichtige Blöcke geteilt, zu denen die Kassen jeweils 3 Wochen Zeit zur Beantwortung haben. War dies eine Ihrer Verhandlungspositionen?

Dr. Thomas Uhlemann: Wir haben mit der in unserem Positionspapier von 2013 vorgesehenen Mindestwartezeit nach der Kombination von Sprechstunde, Probatorik und 12 Therapiestunden in der Tat ein Nachdenken über die jeweilige Psychotherapie angeregt. Der Beschluss zur Änderung der Psychotherapie-Richtlinie enthält unseren Vorschlag nun nicht mehr. Wir sehen das als Ergebnis eines Aushandlungsprozesses verschiedener Interessen. Es wird eine Zweiteilung der Kurzzeittherapie geben, die mit unserer Forderung nach einer Pause aber nichts mehr zu tun hat.

Frage: Warum plädieren Sie so stark für diese Pause?

Dr. Thomas Uhlemann: Wir sehen diese Pause, dieses Innehalten als Chance im Behandlungsprozess. Unsere damalige Motivation für diese Pause war es, im Ablauf der Therapie eine Phase einzubauen, in der sowohl Patient als auch Therapeut die Möglichkeit haben, zu reflektieren, ob dass, was man tut wirklich notwendig und richtig ist. Auch im stationären Bereich ist man heute bemüht zu schauen, ob der Patient schon zu einem frühen Zeitpunkt auch wieder allein zurechtkommt oder nicht. Viele Therapeuten sagen außerdem, dass die eigentliche Therapie zwischen den Sitzungen stattfindet. Eine Reflektionsphase greift diesen Gedanken wieder auf.

Frage: Stichwort Akutbehandlung: Lediglich ein vager Rahmen ist dafür definiert. In der Umsetzung könnten sich auch Punkte, wie die vorherige somatische Abklärung sowie der zeitliche Rahmen von 14 Tagen zum Beginn der Akuttherapie nach dem Besuch der Sprechstunde als unrealistisch erweisen. Glauben Sie, dass die Akutbehandlung in der realen Versorgung die gewünschten Effekte erreichen kann?

Dr. Thomas Uhlemann: Eine genaue inhaltliche Festschreibung der Akutbehandlung wäre sehr problematisch. Wir haben die Akutbehandlung als therapeutische Intervention deshalb bisher nicht näher definiert. Es geht aus unserer Perspektive vor allem um eine Entaktualisierung, ein „Talking down“ einer akuten Problematik, um dann zu sehen, was für den Patienten richtig ist. Nicht notwendigerweise schließt sich daran eine Richtlinien-Psychotherapie an. Man kann sich vorstellen, dass die Akutbehandlung für sich steht und auch ggf. ausreichend ist, um die Probleme des Patienten soweit zu behandeln, dass er erstmal allein zurecht kommt. Die Akutbehandlung ist nicht als Überbrückung zur Richtlinien-Psychotherapie gedacht. Es handelt sich um einen parallelen Strang zur Kurzzeittherapie, wobei eingeschlossen ist, einen Wechsel von der Akutbehandlung zur Richtlinien-Psychotherapie zu ermöglichen.

Frage: 5 Stunden sollen Psychotherapeuten, die die Sprechstunde anbieten, pro Woche persönlich telefonisch erreichbar sein. 3 Stunden pro Woche Therapeuten allgemein. Warum ist eine solche strikte Reglementierung aus Ihrer Sicht überhaupt notwendig?

Dr. Thomas Uhlemann: Wir haben diesen Punkt im engen Austausch mit Ihren psychotherapeutischen Kollegen im G-BA so vereinbart. Klar war dabei allen Beteiligten, dass die Situation, die wir jetzt haben unhaltbar ist. Die telefonische Kontaktaufnahme funktioniert nicht gut. Meistens ist besetzt und die hilfesuchenden Patienten kommen nur im Glücksfall durch. Oftmals gibt es lediglich mit dem Anrufbeantworter einen Kontakt. Das wollen wir so nicht mehr; das stellen wir uns nicht unter Erreichbarkeit vor. Es geht bei dieser Festlegung der Erreichbarkeit in erster Linie darum, eine Mindesterreichbarkeit für die Versicherten sicher zu stellen. Wir glauben nicht und das zeigt eben auch die Praxis, dass das ohne eine feste Regelung funktioniert. Die Erreichbarkeit, zu der sich Psychotherapeuten im Bundesmantelvertrag verpflichtet haben, wird bei weitem nicht eingelöst.

Frage: Rufe ich meinen Hausarzt an, habe ich ihn persönlich auch nicht am Apparat, sondern eine Sprechstundenhilfe. Ist ferner mit dieser Regelung gemeint, dass Psychotherapeuten sich in ihrem Praxismanagement moderner, patientenfreundlicher aufstellen sollen?

Dr. Thomas Uhlemann: Mit dieser Regelung ist nicht beabsichtigt, unbedingt mit dem Psychotherapeuten selbst z.B. einen Termin zu vereinbaren, sondern es geht um eine generelle Erreichbarkeit für Patienten. Wir wollen weg von den Anrufbeantwortern. Nicht gemeint ist, dass es bereits eine Beratung am Telefon geben soll. In diesem Punkt sind Psychotherapeuten bisher schlecht aufgestellt und es stellt sich natürlich die Frage nach einem modernen Praxismanagement.

Frage: Wäre eine grundlegende Vereinfachung der Gruppentherapiefestlegungen nicht in Ihrem Interesse? Glauben Sie dies mit der Anzeigeregelung zum Settingwechsel erreicht zu haben?

Dr. Thomas Uhlemann: Wir haben die Situation, dass viele Psychotherapeuten in der Gruppenpsychotherapie ausgebildet sind, diese aber nicht anbieten. Wir haben nach den Gründen dafür gefragt und sind auf ausgesprochen unterschiedliche Positionen gestoßen. Letztlich geht es wohl darum, Anreize zur Erbringung von Gruppentherapie zu schaffen. Wir hätten gerne die Änderung des Settings auch bei der Langzeittherapie über eine reine Anzeige gegenüber den Krankenkassen geregelt. Hier gab es jedoch Vorbehalte seitens der Leistungserbringer, die am Antragsverfahren festgehalten haben. Aber auch die Möglichkeit, Einzel- und Gruppentherapie leichter kombinieren zu können, halten wir für einen wesentlichen Schritt. Wir haben zudem die Gruppengrößen angepasst: von 3 bis 9 Teilnehmern. Nun wollen wir abwarten, ob sich die gewünschten Effekte einstellen. Unser Ziel ist es, einen größeren Anteil von Gruppenpsychotherapie am therapeutischen Geschehen zu bekommen. Wir halten dies für ein absolut sinnvolles Angebot.

Interview: Antje Orgass