Die BPtK-Musterberufsordnung regelt bereits eindeutig, dass Psychotherapeuten bei Patienten, die sich selbst oder andere gefährden, von der Schweigepflicht entbunden sind. Psychotherapeuten müssen zwischen dem Schutz der Patienten, dem Schutz von Dritten sowie dem Allgemeinwohl abwägen und gegebenenfalls tätig werden. „Diese Abwägung muss sehr sorgfältig getroffen werden“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Dazu gehöre, dass man sich im Zweifel bei einem Kollegen fachlich rückversichert. Drohe, dass ein Patient sich selbst oder andere gefährde, müsse notfalls auch eine Zwangseinweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgen.
Im Fall des schwer depressiven Germanwings-Copiloten, der vor einem Jahr ein Flugzeug mit 150 Menschen abstürzen ließ, mussten die behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten auf Grundlage der ihnen bekannten Befunde eine solche Abwägung vornehmen und begründen. Dies können Gerichte überprüfen. „Die Entscheidung, ob ein Patient sich oder andere gefährdet, muss eine Entscheidung des behandelnden Psychotherapeuten oder Arztes bleiben“, fordert Munz. OPK-Präsidentin Andrea Mrazek gab schon damals in Pressegesprächen zu bedenken: „Wo fangen wir an, wo hören wir auf, die Schweigepflicht auszuhöhlen? Es gibt ohnedies Ausnahmen von der Schweigepflicht – auch jetzt schon. Ich denke, diese sind vollständig ausreichend. Psychotherapeuten und Ärzte sind stark auf die Auskunftswilligkeit ihrer Patienten angewiesen und deshalb braucht es die Schweigepflicht.“
Grundsätzliche gesetzliche Meldepflichten vergrößern dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass sich psychisch kranke Menschen nicht mehr in Behandlung begeben. Die Behandlung eines psychisch kranken Menschen verringert seine Leiden und kann eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindern. In den seltenen Fällen, wo psychisch kranke Menschen befürchten, dass sie sich oder andere Menschen gefährden könnten, ist eine Behandlung auch der beste Schutz für die Allgemeinheiheit.