Informationen zum Thema „Ausfallhonorar“ Verbindliche Entscheidung hierüber treffen ausschließlich Zivilgerichte

1. Einhaltung berufsrechtlicher Regelungen

1.1 Grundsatz

Ein sog. Ausfallhonorar für den Fall der Verspätung oder des Ausbleibens des Patienten ist weder in der GOP oder dem EBM vorgesehen. Dennoch können derartige Honorare vereinbart werden. Auch nach der Berufsordnung der OPK ist die Vereinbarung von Ausfallhonoraren grundsätzlich zulässig. Denn Psychotherapeuten führen in der Regel eine reine Bestellpraxis hinsichtlich der Durchführung psychotherapeutischer Behandlungsstunden. Die Behandlungstermine werden mit Patienten im Voraus festgelegt, um den reibungslosen Praxisbetrieb zu gewährleisten und allen Patienten im erforderlichen Umfang zur Verfügung zu stehen Sagt der Patient einen fest vereinbarten Behandlungstermin kurzfristig ab oder bleibt er der Behandlung unentschuldigt fern, ist dies für Psychotherapeuten nicht nur ärgerlich, sondern stört auch den geordneten Praxisablauf. Überdies hat der betroffene Psychotherapeut finanzielle Einbußen, sofern er den Termin nicht anderweitig vergeben kann. Allerdings sind beim Vereinbaren eines Ausfallhonorars neben rechtlichen Vorgaben auch berufsethische Ziele zu achten. Denn nach § 3 Berufsordnung sind Psychotherapeuten grundsätzlich verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Bei der Berufsausübung sind die international anerkannten ethischen Prinzipien zu beachten, insbesondere die Autonomie der Patienten zu respektieren, Schaden zu vermeiden, Nutzen zu mehren und Gerechtigkeit anzustreben.

 

1.2 Zeitpunkt der Vereinbarung

Nach § 7 Absatz 1 Berufsordnung bedarf jede psychotherapeutische Behandlung

der Einwilligung und setzt eine Aufklärung voraus. Diese hat vor Beginn der Behandlung zu erfolgen und umfasst die Information über sämtliche Honorarregelungen (7 Abs. 2 S. 2 Berufsordnung). Damit umfasst die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung selbstverständlich auch die Vereinbarung eines Ausfallhonorars.

Dazu heißt es explizit in § 14 Absatz 3 Berufsordnung: „Honorarfragen sind zu Beginn der Leistungserbringung zu klären.“ Dies dient u.a. dazu, Patienten zu ermöglichen, die Zusammenarbeit mit dem Therapeuten unter finanziellen Gesichtspunkten abzuwägen, bevor er sich emotional bereits stark gebunden hat (Dr. Martin Stellpflug und Inge Berns, Musterberufsordnung für psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Rdnr. 577, Musterberufsordnung, 3. Auflage 2015).

 

1.3 Höhe des Ausfallhonorars

Die Höhe des beanspruchten Ausfallhonorars ist in der Vereinbarung konkret anzugeben und muss nach § 14 Berufsordnung angemessen sein. Dies bedeutet, dass das Ausfallhonorar grundsätzlich nicht höher sein darf als die Vergütung, die bei Abhaltung der Sitzung angefallen wäre.

Kann der Psychotherapeut in dieser Zeit eine andere Tätigkeit vornehmen, z.B. einen Bericht an den Gutachter verfassen, so muss er dies in Abzug bringen. Zu beachten ist, dass sich Psychotherapeuten im Falle einer Terminabsage bemühen müssen, den Termin mit einem anderen Patienten zu besetzen. Können sie den Termin anderweitig vergeben, können sie kein Ausfallhonorar geltend machen. Ebenso entfällt der Anspruch, wenn Psychotherapeuten ihrerseits eine Terminverschiebung vornehmen.

 

1.4 Form der Vereinbarung

Die Berufsordnung gibt nicht vor, dass Ausfallhonorarvereinbarungen schriftlich zu verfassen sind. Jedoch empfiehlt es sich, zum Zwecke des Beweises die Vereinbarung schriftlich auszugestalten, vom Patienten unterzeichnen zu lassen und ihm ein Exemplar der Vereinbarung auszuhändigen. Denn für alle Patientenbehandlungen gilt, dass nach § 630c Abs. 3 BGB Patienten über eventuell entstehende Kosten in Textform (§ 126b BGB) zu informieren sind, deren Kostenübernahme durch Dritte (Krankenversicherung etc.) nicht gesichert ist. Dies trifft für ein Ausfallhonorar regelmäßig zu. Insbesondere für die Behandlung gesetzlich Versicherter ist für Vertragspsychotherapeuten in § 18 Abs. 8 Nr. 3 Bundesmantelvertrag–Ärzte (BMV-Ä) geregelt, dass für Leistungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung im Vorfeld die schriftliche Zustimmung des Versicherten einzuholen und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hinzuweisen ist.

In der Regel halten Psychotherapeuten diese Vereinbarung nicht nur für einen einzigen Patienten vor, sondern verwenden den vorformulierten Text zumeist als Formular für alle Patienten vor. Diese Formulare werden rechtlich als sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) eingeordnet. An die Einbeziehung von AGB in den Behandlungsvertrag und an ihre inhaltliche Wirksamkeit stellen die §§ 305 bis 310 BGB besondere Anforderungen gegenüber frei verhandelten Vertragsbedingungen. Sie können u.a. nur dann Bestandteil des Behandlungsvertrages werden, wenn Psychotherapeuten ihre Patienten bei Vertragsschluss ausdrücklich auf sie hingewiesen haben und ihnen die Möglichkeit geben, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (§ 305 BGB). Diese Anforderungen werden mit einer schriftlichen Vereinbarung und der Aushändigung eines Exemplars an den Patienten erfüllt.

Im Bereich der Behandlung von Kinder- und Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und damit noch nicht geschäftsfähig sind, müssen die Sorgeberechtigten bzw. der allein Sorgeberechtigte einer Ausfallhonorarvereinbarung zustimmen. Sie sind also über die Ausfallhonorarvereinbarung aufzuklären, müssen diese unterschreiben und ein Exemplar ausgehändigt bekommen.

Bevor die gerichtliche Geltendmachung durch Psychotherapeuten in die Wege geleitet wird, sollten Konflikte über Ausfallhonorare innerhalb der Behandlung thematisiert werden. Dabei sind die Einwirkung auf den therapeutischen Prozess, die Auswirkungen auf das Wohl der Patienten sowie die Verantwortung der Psychotherapeuten in die Überlegungen einzubeziehen.

 

2. Zivilrechtliche Geltendmachung des Anspruchs

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung und Geltendmachung eines Ausfallhonorars in zivilrechtlicher Hinsicht einige Probleme aufwirft, da sich die Rechtsprechung der Zivilgerichte uneinheitlich gestaltet.

2.1 Absagefrist

Einigkeit besteht darin, dass beim Betreiben einer Bestellpraxis die Vereinbarung einer Absagefrist von bis zu maximal 48 Stunden durch Psychotherapeuten als angemessen betrachtet wird. Sagen also Patienten innerhalb dieser vereinbarten Frist ab, kann die Vergütung des Ausfallhonorars nicht verlangt werden.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Vereinbarungen, nach der Patienten zur Zahlung eines Ausfallhonorars verpflichtet werden, wenn sie ihren Urlaub nicht entsprechend den Urlaubszeiten der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten einrichten, als ungerechtfertigt angesehen werden.

2.2 Unverschuldetes Nichterscheinen

Bei der Frage, inwieweit in einer Ausfallhonorarvereinbarung eine Entlastungsmöglichkeit im Falle eines nicht verschuldeten Nichterscheinens für Patienten enthalten sein muss, gehen die Rechtsauffassungen auseinander.

• So urteilte beispielsweise das Landgericht Berlin (Urteil vom 15. April 2005, Az: 55 S 310/04), dass eine Vereinbarung über ein Ausfallhonorar dann als unangemessene Benachteiligung anzusehen ist, wenn dem Patienten nicht eine Entlastungsmöglichkeit im Falle des unverschuldeten Nichterscheinens eingeräumt wird, z.B. wenn der Patient Stunden vor dem Termin verunfallt oder aus sonstigen unverschuldeten Gründen gehindert ist, den Termin wahrzunehmen.

• Das OLG Stuttgart (Urteil vom 17.04.2007, AZ: 1 U 154/06) erkennt einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht durch eine verspätete Absage an. Dann wäre aber darzulegen, dass ein Verdienstausfall entstanden ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn kein Ersatzpatient behandelt werden konnte, bei rechtzeitiger Absage aber ein „Einspringen“ möglich gewesen wäre.

• Das AG Nettetal (Urteil vom 12.09.2006, AZ: 17 C 71/93) bejaht grundsätzlich einen Honoraranspruch des Zahnarztes (Bestellpraxis) trotz Nichterscheinens der Patientin zum Behandlungstermin, da es sich bei dem Behandlungsvertrag um einen Dienstvertrag handele und sich die Patientin im Annahmeverzug nach § 615 BGB befinde. Hinsichtlich der Höhe des Ausfallhonorars nimmt das Gericht allerdings einen Honorarabzug vor, da die Zeit durch Verwaltungs- und Abrechnungstätigkeiten genutzt werden könne.

• Das AG Heilbronn Urteil vom 13.10.1994, Az: 2 C 1964/94 und das AG Stuttgart Urteil 28.02.1995 befanden, dass der Patient den Behandlungsvertrag gemäß § 627 Abs. 1 BGB jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen kann. Diese Kündigung muss nicht schriftlich erfolgen. Sie kann auch durch ein konkludentes Verhalten, nämlich das Nichterscheinen zum Termin, erfolgen.

• LG Düsseldorf, Urteil vom 19.03.2004, Az. 22 S 117/03
Bei einer Praxis mit Bestellsystem kann die Terminvereinbarung als eine kalendermäßige Bestimmung im Sinne des § 296 BGB angesehen werden – mit der Folge, dass sich ein Patient, der einen Behandlungstermin nicht rechtzeitig absagt, zum Zeitpunkt des Behandlungstermins in Annahmeverzug befindet. Damit entsteht ein Vergütungsanspruch nach § 615 BGB. Der Patient musste für nicht abgesagte und nicht wahrgenommene Termine nach Abzug von ersparten Aufwendungen ein Ausfallhonorar in Höhe von rund 150 Euro leisten.

Stand: 27.11.2018