„Betroffene werden von Klinik-, Haus- und Fachärzten weiterbehandelt, suchen zum Verarbeiten des Erlebten Psychotherapeuten auf“, berichtet Dr. Jörg Böhme, der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalts (KVSA). Böhme betonte immer wieder die besondere Rolle der Psychotherapeuten in der nachgelagerten Versorgung, für die der Zulassungsausschuss der KV zeitnah zusätzliche Behandlungskapazitäten schuf. Sechs Psychotherapeutenpraxen wurden dazu zeitlich befristet von einem halben auf einen vollen Versorgungsauftrag hochgestuft, wobei der zusätzliche hälftige Auftrag allein der Versorgung der Betroffenen zugutekommt.
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff bedankte sich in seiner Rede zum Neujahrsempfang bei allen Heilberuflern, die Betroffene nach der Tat begleitet haben. „Weltweit waren die Reaktionen von großem Respekt für die Professionalität unseres Gesundheitswesens geprägt“, erklärt Haseloff. Im direkten Gespräch äußerte er gegenüber Frau Dr. Ahrens-Eipper: „Ihr Berufstand ist wichtiger denn je. Von Ihnen bräuchten wir noch viel mehr.“
Wie OPK-Vizepräsidentin Dr. Sabine Ahrens-Eipper in ihrem Statement im Pressegespräch zum Neujahrsempfang betonte, sei die Arbeitsbelastungen der Kolleginnen und Kollegen in Sachsen-Anhalt sehr hoch. „Wir sind voll bis unters Dach mit Patienten und Patientenanfragen in den Praxen“ verbildlicht sie die ambulante Versorgungssituation. „Wir versorgen mehr Menschen als im Bundesdurchschnitt. Gemeinsam werden wir die Versorgung nach dem Attentat stemmen.“ Zu aktuellen politischen Ideen, Patientenströme durch Dritte zu steuern machte sie deutlich: „Es muss unser Recht als freier Heilberuf bleiben, fachlich zu entscheiden bei wem eine Behandlung indiziert und aussichtsreich ist“, so Ahrens-Eipper weiter.
Auch von den Vertretern der anderen Heilberufe kamen dringliche Aussagen und Forderungen zur versorgungspolitischen Situation. Ärztekammer, KVSA und OPK fordern, dass die Politik die Rahmenbedingungen verbessern müsse. Dazu gehört neben einer auskömmlichen Finanzierung des Gesundheitswesens und einem konsequenten Bürokratieabbau insbesondere auch die Möglichkeit, dass mehr junge Menschen in Sachsen-Anhalt in die Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten gehen können. „Wir denken da ganz konkret an Regelungen im Krankenhausgesetz, dass stationäre Weiterbildungsstellen geschaffen werden müssen“, sagte Dr. Sabine Ahrens-Eipper. Besonders läge das Augenmerk der OPK auf Weiterbildungsstätten und -plätze für Fachpsychotherapeuten zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt.
Nach der aktuellen Bedarfsplanung gilt das Land Sachsen-Anhalt mit psychotherapeutischen Praxen für Kinder und Jugendliche insgesamt sogar als überversorgt. „Wer jemals versucht hat, einen Psychotherapieplatz für ein Kind oder Jugendlichen zu ergattern, weiß, dass dies nicht der Lebensrealität entspricht“, stellt Ahrens-Eipper klar. Nach Einschätzung der OPK fehlt es an Niederlassungsmöglichkeiten für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten – insbesondere im ländlichen Raum. „Es geht uns besonders um die Versorgungssicherheit von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen außerhalb der Großstädte“, sagt OPK-Vizepräsidentin Dr. Sabine Ahrens-Eipper. Ahrens-Eipper ist selbst niedergelassene Psychotherapeutin in Halle mit Schwerpunkt in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die OPK fordert, die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen auszubauen, neue Versorgungsformen zu etablieren und zudem verstärkt in die Lebenswelt der Kinder zu integrieren, beispielsweise in Form aufsuchender Versorgungsangebote in Kindergarten und Schule.