Das Potential von GruppenpsychotherapienWorkshop zum 3. OPT fokussiert die Rahmenbedingungen, eine gute Vorbereitung der Gruppenteilnehmer sowie gruppendynamische Prozesse

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Prof. Dr. phil. habil. Bernhard Strauß

Frage: Herr Professor Strauß, was ist das Potential von Gruppenpsychotherapien?

Professor Bernhard Strauß: Zunächst wissen wir schon lange, dass Gruppen weitergehende Behandlungsmöglichkeiten bieten als Einzeltherapien, aufgrund der Tatsache, dass sich Patienten einfach mit anderen vergleichen und von anderen lernen könne und außerdem ein vielfältigeres Feedback bekommen. Und wir wissen auch aus der Forschung, dass die Wirksamkeit von Gruppenbehandlungen sehr ähnlich, wenn nicht identisch ist mit der Wirksamkeit von Einzeltherapien. Und das zusammen genommen – dass man neue Erfahrungen in Gruppen machen kann und trotzdem gute Wirkungen erzielt – ist ein großes Potential.

Frage: Und auch mehr Patienten gleichzeitig behandeln zu können?

Professor Bernhard Strauß: Das ist im aktuellen gesundheitspolitischen Kontext ein wichtiger Punkt, dass man in der Tat in weniger Zeit mehr Patienten helfen kann. Und diese Patienten nicht Gefahr laufen, dass sie schlechter behandelt werden.

Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, dass relativ wenige Gruppentherapien angeboten werden?

Professor Bernhard Strauß: Die Gründe sind vielfältig. Das eine ist, dass viele Therapeuten vor Gruppen noch großen Respekt haben. Es ist noch nicht wirklich Bestandteil der Ausbildung und viele, die in den letzten Jahren nach dem gültigen Psychotherapeutengesetz ihre Ausbildung gemacht haben, sind vor allem in ihrer Zeit als PiA mit Gruppen in Kontakt gekommen, vorrangig in Kliniken. Da weiß ich aus vielen Weiterbildungskontexten, dass sie oftmals ohne jegliche Anleitung, ohne jede Supervision in Gruppen gesetzt wurden. Und dabei haben sie so negative Erlebnisse gemacht, dass sie die Lust verloren haben, sich später mit Gruppen zu beschäftigen. Das ist sicher ein wichtiger Grund. Das heißt mangelnde Anleitung, mangelnde Ausbildung. Es ist immer noch so, dass Gruppen organisiert werden müssen, es gibt bürokratische Hindernisse. Man muss für viele Patienten auf einen Schlag viele Anträge stellen. Man muss eine Gruppe erstmal zusammenstellen. Das ist auch organisatorisch nicht ganz einfach, auch weil einige Patienten dann warten müssen. Die Politik will das ja nun verbessern und ist auch schon dabei. Wir können seit wenigen Monaten problemloser Einzel- und Gruppentherapien kombinieren und mit der neuen Psychotherapie-Richtlinie sollen Gruppen auch leichter durch fachkompetente Gutachter auf den Weg gebracht werden. Die bürokratischen Hindernisse, die auch sehr mächtig waren, werden sicher mit der Zeit ausgeräumt. Ein dritter Aspekt ist, dass Patienten wenig Wissen über Gruppen haben und auch nicht aufgeklärt sind, dass Gruppen eine echte Alternative zur Einzeltherapie darstellen.

Frage: Wie ist die Patientensicht, in einer Gruppe die Probleme zu besprechen und sich preiszugeben? Wird es als hilfreich oder befremdend empfunden?

Professor Bernhard Strauß: Man muss das zweigleisig sehen: Wenn man naive Patienten fragt, sagen diese erstmal nein, ich will lieber eine Einzeltherapie. Wenn man aber Patienten gründlich aufklärt, über das Potential von Gruppen und die Tatsache bespricht, dass sie dort Patienten treffen, die ähnliche Probleme haben, was per se schon eine große Erleichterung darstellt, und wenn sie dann gut vorbereitet werden, was in Gruppen wirklich passiert, dann sind sie sehr bereit sich an Gruppen zu beteiligen und verlieren schnell die Angst. Es gibt Studien, die zeigen, dass, wenn Patienten erstmal in Gruppen sind, die Akzeptanz genau identisch ist wie in der Einzeltherapie. Nur muss man diese Akzeptanz erstmal herstellen durch Aufklärung und Information.

Frage: Also ist die Abrecherquote bei Patienten nicht höher?

Professor Bernhard Strauß: Das ist auch ein alter Mythos. Wir haben gerade eine Metaanalyse veröffentlicht zum Vergleich von Einzel- und Gruppentherapie und dabei sind die Abbruchraten und die Akzeptanz identisch.

Frage: Welche Art von Gruppen würden Sie gern in der Praxis sehen?

Professor Bernhard Strauß: Das hängt vom Therapieverfahren ab. Es gibt in den Richtlinienverfahren eine Vielzahl guter Ansätze und ich glaube, dass man sowohl störungshomogene Gruppen, die eher typisch sind für die Verhaltenstherapie, aber zunehmend Gruppen in der psychodynamischen Therapie in Mode kommen. Gemischte Gruppen hätten in der ambulanten Therapie einen guten Platz. Wichtige Voraussetzungen sind, dass man diese Gruppen gut fokussiert, das heißt, dass man klare Ziele mit den Gruppenmitgliedern ausarbeitet, bevor man beginnt. Die Grupppenmitglieder müssen wissen, was auf sie zukommt. Dann haben Gruppen ein hohes Potential. Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass niedergelassene Psychotherapeuten sich auf Gruppen spezialisiert haben, weil es eine angenehme Arbeit ist und die Vergütung auch gut ist. Eine Praxis mit Gruppenfokussierung kann mittlerweile gut überleben.

Frage: Wer kann etwas dazu beitragen, damit mehr Gruppentherapien stattfinden?

Professor Bernhard Strauß: Das fängt mit der Gesundheitspolitik an. Die Absicht der Bundesregierung Gruppentherapien zu fördern, ist sogar im Koalitionsvertrag verankert. Man wird sehen, ob die jetzt initiierten Reformen schon helfen. Wichtig ist eine Entbürokratisierung. Als zweites muss es mehr Informationen für Patienten zur Gruppenpsychotherapie geben. Hilfreich wären gut gemachte Patientenbroschüren. Und ganz wichtig ist die Ausbildung von Psychotherapeuten. Angehende Psychologische und Ärztliche Psychotherapeuten sollten möglichst früh mit Gruppen unter wirklich guter Supervision und Einführung in Kontakt kommen. Dann stellt sich auch die Lust ein, das später weiter zu betreiben. Wenn sie eher abgeschreckt werden, ohne Anleitung mit dem schwierigen Phänomen Gruppe agieren zu müssen, dann geht das nicht gut aus. Die Ausbildung ist eine zentrale Schnittstelle.

Frage: Was ist Ihr Ansatz in Ihrem Workshop zur Gruppentherapie zum OPT in Leipzig?

Professor Bernhard Strauß: Ich werde darauf fokussieren, was für Rahmenbedingungen wichtig sind und wie man Gruppenmitglieder vorbereitet, aufklärt. Außerdem zeige ich, wie man ihnen die Angst vor Gruppen nimmt. Ein zweiter großer Schwerpunkt wird sein, neben dem komplexen Wissen über psychotherapeutische Prozesse ein gutes, basales Wissen über gruppendynamische Prozesse zu erhalten. Das ist ganz unabhängig von dem Verfahren, in dem man arbeitet, Phänomene von Gruppen zu verstehen. Formatierung, Rahmung und Aufklärung und die Gruppendynamik werden die zentralen Themen in unserer Diskussion werden.

 

Der Workshop von Professor Bernhard Strauß findet am Freitag, 17.März 2017 ab 14.30 Uhr bis 16.00 Uhr (Teil I) und von 16.45 Uhr bis 18.15 (Teil II) statt.