Gesundheit ist mehr als Infektionsschutz!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gesundheit ist mehr als Infektionsschutz. Mit Maske oder ohne – die Frage, die gerade so viele Gemüter bewegt, berührt auch den Kern unserer psychotherapeutischen Arbeit. Gesichtsausdrücke sind in direkter Kommunikation der wichtigste Indikator für Emotionen und Beziehungserleben. Durch Gesichtsbedeckung wird vor allem die emotionale Ebene der Kommunikation erheblich behindert – und damit die psychotherapeutische Arbeit erschwert. Dementsprechend haben uns in den letzten Tagen viele Fragen und – durchaus kontroverse – Anregungen aus dem Kollegenkreis erreicht. Wie während der Pandemie schon gewohnt, gibt es im OPK-Gebiet regional unterschiedliche, manchmal kurzfristig geänderte Vorschriften. Wir möchten deshalb die fachliche Haltung darstellen, die wir als OPK gegenüber den regelnden Behörden vertreten. Natürlich sollen und müssen auch Psychotherapeuten alle gebotenen und verhältnismäßigen Maßnahmen zum Infektionsschutz ergreifen. Es ist aber auch ihre Pflicht, geeignete und wirksame Behandlungen zur Heilung oder Linderung psychischer Störungen durchzuführen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, im Einzelfall abzuwägen und verantwortlich zu entscheiden. Die Pflicht zum Mindestabstand und die potentiellen Vorteile von Mund-Nasenschutz (MNS) für die Verminderung von Infektionsrisiken wurden in der Öffentlichkeit hinlänglich kommuniziert. Aus psychotherapeutischer Sicht ist bezüglich der Verwendung von MNS zu berücksichtigen, dass - die Einschränkung der Gesichtswahrnehmung den therapeutischen Prozess sowohl beim Therapeuten als auch beim Patienten behindern kann, z. B. indem affektive Reaktionen nicht erkannt oder fehlgedeutet werden;
- insbesondere bei der Behandlung von Kindern die Beziehungsgestaltung, z. B. das Vertrauen in die Therapeutin, erschwert werden kann;
- ängstliche, vermeidende oder zwanghafte Reaktionsmuster, z. B. irrationale Risikobewertungen, bei Patienten verstärkt werden könnten;
- Patienten, die aus psychopathologischen Gründen keinen MNS tragen wollen, z. B. bei Angststörungen, von der Behandlung abgehalten werden könnten.
Die OPK fordert deshalb: es muss im Ermessen des/der einzelnen Psychotherapeuten/Psychotherapeutinnen bleiben, ob er/sie Mund-Nasen-Schutz in der Behandlung verwendet und dies von Patientinnen/Patienten verlangt. Daher nochmals: Gesundheit ist mehr als Infektionsschutz. Mit dieser Botschaft haben wir uns an alle unsere fünf zuständigen Ministerien gewandt – auch wenn aktuell eine entsprechende Verpflichtung für Praxen nur in Mecklenburg-Vorpommern besteht. Gleichwohl setzen wir uns dafür ein, dass Sie auch in Thüringen und in Mecklenburg-Vorpommern MNS über die Kassenärztliche Vereinigung anfordern können, wenn Sie dies benötigen. Uns erreichten auch Fragen, ob psychotherapeutische Atteste Patienten von der Pflicht zum MNS in der Öffentlichkeit entbinden können. Da die Pflicht zum Tragen der Masken aus einer Rechtsverordnung des jeweiligen Bundeslandes resultiert, können Psychotherapeuten keine Befreiung von dieser Pflicht aussprechen. Dies ist gesetzlich nicht möglich, hierzu bedürfte es behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen uns als OPK öffentlich und gegenüber der Politik dafür ein, die psychotherapeutische Arbeit auch in diesen schwierigen Zeiten zu ermöglichen und nicht über das nötige Maß hinaus zu erschweren. Ihr Gregor Peikert
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