Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am vergangenen Donnerstag um 23:31 Uhr erhoben sich die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag von ihren Plätzen, um dem Gesetzentwurf zur Reform der Psychotherapeuten- ausbildung zuzustimmen. Damit stellten sie Weichen für die Entwicklung der deutschen Psychotherapie in den kommenden Jahrzehnten. Zwar muss der Bundesrat am 8. November noch über das Gesetz beraten, die Zustimmung dort gilt aber als hoch wahrscheinlich. Der 26. September 2019 darf als historisches Datum gelten. Vieles von dem, was uns in den letzten 20 Jahren in der Psychotherapie vertraut geworden ist, wird sich nun verändern.
Künftige Psychotherapeuten entscheiden sich für ihren Beruf, bevor sie mit dem Studium beginnen. Sie absolvieren ein universitäres Psychotherapiestudium in der Bachelor-/Master-Systematik, an dessen Ende eine staatliche psychotherapeutische Prüfung steht und erhalten daraufhin ihre Approbation. Die Fachkunde in einem Psychotherapieverfahren und für eine Altersgruppe, also beispielsweise für Verhaltenstherapie bei Kindern oder Psychoanalyse bei Erwachsenen, erwerben sie anschließend in einer mehrjährigen berufsbegleitenden Weiterbildung. Die neuen Regelungen sollen zum 1. September 2020 in Kraft treten und bis September 2032 die bisherigen Psychotherapeutenausbildungen ablösen.
Vor Landesregierungen, Universitäten und Psychotherapeutenkammern liegt nun die Aufgabe, die Psychotherapie in den neuen Rahmenbedingungen zu gestalten. Länder müssen die neuen Studiengänge finanzieren, Universitäten Lehrkräfte und Praktikumsplätze bereitstellen, Kammern die Weiterbildung regeln. Auf die OPK kommt außerdem die Novellierung des Staatsvertrags zu, denn nun gibt es neben den PP und KJP einen dritten Beruf, die Psychotherapeuten. Erst in einigen Jahren werden wir wissen, wie weit sich die Hoffnungen erfüllen, die viele von uns mit den Neuerungen verbinden.
Positiv ist zunächst, dass unbezahlte und schlecht geregelte Ausbildungsverhältnisse für Psychotherapeuten nun der Vergangenheit angehören. Bereits die derzeitigen Ausbildungsteilnehmer profitieren von der Gesetzesänderung. Immerhin sollen sie ab dem kommenden Jahr mindestens 1000 Euro für die praktische Tätigkeit erhalten. Die Unsicherheiten bei der Anerkennung mancher Studiengänge vor einer Ausbildung wird es mit Auslaufen der „alten“ Regelungen nicht mehr geben. Die berufsbegleitende Weiterbildung nach dem Studium dürfte für künftige Hochschulabsolventen bessere Perspektiven bieten.
Risiken, die schon absehbar sind, betreffen beispielsweise die inhaltliche Ausgestaltung der Studiengänge. Es ist ein sehr ehrgeiziges Vorhaben, innerhalb von fünf Studienjahren sowohl wissenschaftliche als auch gute berufspraktische Kenntnisse zu vermitteln. Die Universitäten werden beträchtliche Anstrengungen unternehmen müssen, damit Niveau und Ansehen der Psychotherapie-Approbation erhalten bleiben. Und welche Kosten auf künftige Weiterbildungsteilnehmer zukommen, ist mangels einer Regelung der Finanzierung für Supervision, Theorievermittlung etc. unklar.
In den OPK-Ländern werden wir Gespräche mit Länderministerien und Universitäten führen. Wir benötigen ausreichend viele Psychotherapie-Studienplätze in unseren Ländern, und wir brauchen Absolventen, die psychotherapeutisch gut ausgebildet sind. Zusammen mit Bundes- und anderen Landeskammern müssen wir vernünftige Regeln für die Weiterbildung finden. In Krankenhäusern und Ambulanzen brauchen wir genügend viele Stellen für Weiterbildungsteilnehmer. Wenn uns dies alles gelingt, war der 26. September 2019 ein guter Tag für die Psychotherapie.
Ihr Gregor Peikert Präsident der OPK
Alle Informationen unter dem Link: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw39-de-psychotherapeutenausbildung-657394
|