Was ist Kammerarbeit?„Erfolg macht sexy“ und Kammerarbeit ist ein Erfolgsmodell, meint Professor Dr. Martin H. Stellpflug

Weil in dem Wort „Kammerarbeit“ also so viel steckt, hat sich das OPKmagazin mit einem unterhalten, der es wissen muss. Professor Dr. iur. Martin H. Stellpflug ist der Justiziar der Bundespsychotherapeutenkammer und der Berufsrechts-Papst der Psychotherapeuten.

Herr Professor Stellpflug, was sind die originären Aufgaben der Kammer und was macht Kammerarbeit aus?

Prof. Dr. iur. Martin H. Stellpflug: Kammerarbeit ist eine ganz besondere Arbeit. Der Staat ermöglicht diese mit dem Ansinnen, dass sich ein Berufsstand selber verwaltet, sich seine eigenen Regeln gibt und die Einhaltung dieser auch noch selbst überwacht. Insofern ist Kammerarbeit von immenser Bedeutung. Es geht darum, alle unterschiedlichen  Aspekte des Berufes zu berücksichtigen, weiterzuentwickeln und diese so zu kommunizieren, dass alle Mitglieder der Kammer diese als gemeinsame Ziele erkennen und sich danach richten.

Was sind spezielle Herausforderungen einer Fünf-Länder-Kammer?

Prof. Dr. iur. Martin H. Stellpflug: Eine Fünf-Länder-Kammer, wie die OPK, ist wohl beispiellos unter den verkammerten Berufen. Die Herausforderung sehe ich darin, dass die beteiligten Bundesländer auch für unterschiedliche Mentalitäten und Einstellungen zu Themen stehen. Einen gemeinsamen Nenner zu finden, setzt großes Geschick und Diplomatie voraus. Die Basis der Kammerarbeit besteht ja darin, alle Berufsmitglieder zu vertreten und den Bedürfnissen und Vorstellungen aller bestmöglich gerecht zu werden. Je größer die Kammer dann ist, umso schwieriger gestaltet sich das.

Zu Prof. Dr. Martin H. Stellpflug

Stellpflug_Martin[1]
  • geboren 1968 in Münster
  • Studium an den Universitäten Marburg/Lahn, Canterbury, London und Freiburg
  • Master of Arts in „Medical Law and Ethics”, King’s College, London (1991)
  • Zugelassen als Rechtsanwalt in der Bundesrepublik Deutschland (seit 1997)
  • Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin und seit 2001 Partner der Sozietät Dierks und Bohle
  • Fachanwalt für Sozialrecht (seit 2001) und Fachanwalt für Medizinrecht (seit 2005)
  • Justiziar der Bundespsychotherapeutenkammer
  • Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht; Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht

Kammerverwaltung entspringt einer lange gewachsenen Tradition. Hat sich dieses System „Kammer“ möglicherweise überlebt? Ist es noch up to date?

Prof. Dr. iur. Martin H. Stellpflug: Ja, es ist nicht gerade etwas Modernes, sondern eher etwas historisch Gewachsenes. Die Besonderheit hier ist, dass der Staat von sich aus eine Regelungsdichte aufgibt und diese in die Hände eines Berufsstandes legt. Was vielleicht eine gewisse Entwicklung ist, dass der Gesetzgeber in der gesetzlichen Krankenversicherung immer mehr eingreift, um dadurch Einfluss zu nehmen auf die Berufsausübung. Es ist eine besondere Herausforderung für die Heilberufe, selbstbewusst darauf zu reagieren.

Erreicht ehrenamtliches Engagement mehr? 

Prof. Dr. iur. Martin H. Stellpflug: Ich kann nicht beurteilen, ob der ehrenamtlich Tätige engagierter oder motivierter ist. Der Sinn von Selbstverwaltung ist, dass diejenigen, die den Beruf aktiv ausüben, darüber mitbestimmen, wie dieser Beruf sinnvoll auszuüben ist. Das geht eben nur durch das Ehrenamt, weil man ja noch in dem anderen Beruf tätig sein muss. Die Grundidee dazu ist gut. So wird bestmöglich gewährleistet, dass Leute Regeln aufstellen, die auch wissen, was das in der Praxis bedeutet.

Wo sehen Sie die Perspektiven in der Kammerarbeit, gerade vor dem Hintergrund, wenn es immer schwieriger zu werden scheint, die Mitglieder für berufspolitische Arbeit zu motivieren?

Prof. Dr. iur. Martin H. Stellpflug: Es gibt Stimmen, die sagen, wenn das Interesse an Kammerarbeit abnimmt, dann ist das ein gutes Zeichen insoweit, als das der Beruf angekommen ist, dass es den Mitgliedern gut geht. Dass nicht so viel Not gesehen wird, an den gesetzlichen, berufsrechtlichen Rahmenbedingungen etwas zu ändern. Für die Selbstverwaltung selbst ist es ganz schädlich, denn sie lebt wie die Demokratie von der Legitimation der Beteiligung aller Betroffenen. Daran muss man als Kammer in der Tat immer arbeiten, deutlich zu machen, dass dies wichtig ist – auch wenn viel erreicht ist. Für die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ist in den letzten 15 Jahren sehr viel erreicht worden. Da kann man versucht sein, sich zurück zu lehnen und zu sagen, lasst uns genießen, was wir erreicht haben. Neue Wege und neue Impulse sind dennoch immer wieder von Nöten, um weiterzukommen. Einen solchen Punkt hatte ich gerade angesprochen. Im GKV-Recht wird durch den Bundesgesetzgeber eine Regelung nach der anderen getroffen. Da muss man als Berufsrechtskammer schauen, wie man mit diesen neuen Vorgaben zurechtkommt.

Welche Tipps haben Sie in Sachen berufspolitischer Müdigkeit?

Prof. Dr. iur. Martin H. Stellpflug: Man sagt, Erfolg ist sexy. Deshalb ist es wichtig für eine Kammer, ihre Erfolge auf die Fläche zu bringen und deutlich zu machen, was man durch Engagement erreichen kann. Das macht dann vielleicht Mut und Hunger auf mehr.

Berufspolitik ist ein langwieriges Geschäft und man hat damit wahrscheinlich immer gegen eine gewisse Ermüdung anzukämpfen. Ich glaube in der Tat, dass man letztlich nach innen nur für mehr Engagement werben kann, indem man den Erfolg des Engagements klar aufzeigt und verdeutlicht, dass man Dinge wirklich verändern kann. Selbst ein Vergleich mit anderen Landeskammern ist da sinnvoll. Die OPK ist in vielen Dingen Vorreiter. Was haben wir für die einzelnen Mitglieder in den Bundesländern zum Positiven wenden können, ist ein guter Ausgangspunkt der berufspolitischen Werbebotschaft.

Interview: Antje Orgass